Gottfried Benn
Nehmen
Sie jene
erste
tauende Nacht im Jahr
und die strömenden blauen
Streifen des Februar,
nehmen Sie jene Verse,
Reime, Strophen, Gedicht,
die unsere Jugend erhellten
und man vergaß sie dann nicht,
nehmen Sie von den
Wesen,
die man liebte und so,
jenen Hauch des Verlöschens
und dann salut und Chapeau
ach, diese spärlichen
vollen
Schläge des Herzens und
über uns fallen die
Schollen -
leben Sie wohl, Klabund!
William Wordsworth
I
wandered lonely as a
cloud,
Ich wanderte einsam wie eine Wolke,
That floats on high o’er vales and
hills, Die in der Höhe treibt
über Täler und Hügel,
When all at once I saw a
crowd,
Als ich auf einmal eine Menge sah,
A
host of golden
daffodils:
Eine Masse von goldenen Narzissen:
Beside
the lake, beneath the
trees,
Neben dem See, unter den Bäumen,
Fluttering and dancing in the
breeze.
Flatternd und tanzend in der Brise.
Continuous as the stars that
shine
Aufgereiht wie die Sterne, die scheinen
And twinkle on the milky
way,
Und glitzern in der Milchstraße,
They
stretched in never-ending
line
Erstreckten sie sich in unendlicher Reihe
Along
the margin of a
bay.
Entlang des Randes einer Bucht.
Ten thousand saw I at a
glance,
Zehntausend sah ich mit einem Blick,
Tossing their heads in sprightly
dance. Schüttelnd
ihre Blüten in munterem Tanz.
The waves beside them danced; but
they Die Wellen daneben tanzten; aber sie
Outdid the sparkling waves in
glee.
Übertrafen die glänzenden Wellen im Glanz.
A
poet could not but be
gay
Ein Dichter konnte nicht anders als froh sein
In such a jocund
company.
In so einer fröhlichen Gesellschaft.
I
gazed and gazed, but little
thought
Ich schaute und schaute, aber bedachte wenig
What wealth the show to me had brougth. Welchen Reichtum
der Anblick mir gebracht hatte.
For oft, when on my couch I
lie
Denn oft, wenn ich auf meiner Couch liege
In
vacant or in pensive
mood,
In müßiger oder gedankenvoller Stimmung,
They
flash upon that inward
eye
Leuchten sie auf vor dem inwendigen Auge,
Which
is the bliss of
solitude;
Welches die Wonne des Alleinseins ist;
And then my heart with pleasure fills,
Und dann füllt sich mein Herz mit Freude
And dances with the
daffodils.
Und tanzt mit den Narzissen.
(Übersetzung vom Herausgeber dieser Internetseite)
Das Riesenspielzeug
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage
wohlbekannt,
die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Einst kam das Riesenfräulein aus jener
Burg hervor,
erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor
und stieg hinab den Abhang bis in das Thal hinein,
neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.
Mit wen'gen raschen Schritten
durchkreuzte sie den Wald,
erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald,
und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.
Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend
niederschaut,
bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut;
es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.
"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das
nehm' ich mit
nach Haus!"
Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus
und feget mit den Händen, was sich da alles regt,
zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlägt,
und eilt mit freud'gen Sprüngen, man
weiß, wie Kinder sind,
zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
“Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höh'n."
Der Alte saß am Tische und trank den
kühlen Wein,
er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
“Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei."
Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt
behutsam an,
den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann;
wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
so klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.
Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt
sein Haupt und spricht:
“Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin,
der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn?
Sollst gleich und ohne Murren erfüllen
mein Gebot;
denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot;
es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor,
der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor
Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohl
bekannt,
die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand;
sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
und fragst Du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.
Geoffrey Chaucer
(ca. 1340 - 1400)
The
Prologue
Der Prolog
Here
biginneth the Book
Hier beginnt das Buch
of the Tales of
Caunterbury
der Canterbury-Erzählungen
Whan
that Aprille with his shoures
sote
Wenn der April mit seinen süssen Schauern
The droghte of
Marche hath perced to the
rote, Die Dürre des Märzes hat
durchdrungen bis zur Wurzel,
And bathed every veyne in swich
licour,
Und jede Ader mit seinem Saft getränkt,
Of which vertu engendred is the
flour;
Von dessen Kraft hervorgerufen wird die Blume;
Whan Zephirus eek with his swete
breeth Wenn
Zephir auch mit seinem
süssen Atem
Inspired hath in every holt and
heeth
Belebet hat in jedem Hain und Heide
The tendre croppes, and the yonge
sonne
Die zarten Triebe, und die junge Sonne
Hath in the Ram his halfe cours
y-ronne,
Hat im Widdermonat die halbe Strecke durchronnen,
And
smale fowles maken
melodye,
Und kleine Vögel machen Melodien,
That slepen al the night with open yë,
Die schliefen die ganze Nacht offenen Auges,
(So priketh hem
nature in hir
corages):
(So prickt sie die Natur in ihren Herzen):
Than longen folk to
goon on pilgrimages
Dann verlangt es die Leute zu gehn
auf Pilgerfahrten
.......
.......
(Übersetzung vom Herausgeber dieser Internetseite)
Pieter Bruegel der Ältere: Ansicht
von Neapel (1558)
Guiseppe Ungaretti
M’illumino
Ich erleuchte mich
D’immenso.
durch das Unermessliche. *
(Übersetzung vom Herausgeber dieser Internetseite)
* Ungaretti wird die unermessliche Weite des morgendlichen
Himmels am Meer gemeint haben.
Christoph Martin
Wieland
Der Pflicht vergessen
Wir Fische nie;
Haben viel Müh
Und karg zu essen,
Baun spät und früh
Uns luftge Schlösser,
Hätten’s gern besser
Statt immer schlimmer
Und raten immer
Und treffen’s nie.
William Butler Yeats
The Lake Isle of Innisfree
Die Seeinsel von Innisfree
I
will arise and go
now,
Ich werde aufstehen und jetzt gehen,
and go to
Innisfree,
und gehen nach Innisfree,
and a small cabin build
there
und eine kleine Hütte dort bauen
of clay and wattles
made;
von Lehm und Flechtwerk gemacht;
nine bean rows will I have
there,
neun Reihen Bohnen werde ich dort haben,
a hive for the honey
bee,
einen Korb für die Honigbiene,
and live alone in the bee-loud
glade. und allein leben auf
der bienendurchsummten Lichtung.
And I shall have some peace
there, Und ich
werde dort etwas Frieden haben
for
peace comes dropping
slow,
denn Frieden kommt langsam getropft,
dropping from the veils of the morning getropft
von den Schleiern des Morgens
to
where the cricket
sings;
bis wenn die Grille singt;
there midnight’s all a
glimmer,
dort ist Mitternacht ständig ein Schimmer,
and moon a purple glow,
und Mond ein purpurner Glanz
and evening full of the linnet’s
wing. und der
Abend voll von Hänflings Flügelschlagen.
I
will arise and go
now
Ich werde aufstehen und jetzt gehen
for always night and
day
denn ständig Tag und Nacht
I hear lake-water
lapping
höre ich Seewasser schlagen
with low sounds by the
shore;
mit leisen Tönen an den Strand;
while I stand on the roadway
or
während ich auf dem Fahrdamm stehe oder
on the pavements
grey,
auf den grauen Pflasterungen,
I hear it in the deep heart’s
core.
höre ich es im tiefsten Herzen.
(Übersetzung vom Herausgeber dieser Internetseite)
Alexander Pope (1688 - 1744)
From "The
Rape of the
Lock" (1712)
Aus "Der Raub der Locke"
Canto II
:
2. Gesang :
The Voyage on the Thames
Die
Schiffsfahrt auf der Themse
Not with more glories, in the ethereal
plain,
Mit keiner größeren Pracht, im Himmelszelt,
The sun first rises o'er the purpled
main
Geht die Sonne auf über der purpurgefärbten See
Than, issuing forth, the rival of his
beams
Als, die wetteifernden Strahlen von ihr hervorrufen,
Launched on the bosom of the silver
Thames.
die
zurückgeworfen werden vom Busen der silbrigen Themse.
Fair nymphs and well-dressed youths around her
shone,
Schöne Nymphen und gutgekleidete Jünglinge glänzten um sie herum,
But every eye was fixed on her
alone.
Aber alle Blicke waren
allein auf sie gerichtet.
On her white breast a sparkling cross she
wore,
Auf ihrer weißen Brust ein glänzendes Kreuz sie trug,
Which Jews might kiss, and Infidels
adore.
Das Juden möglicherweise küssen würden und Heiden anbeten.
Her lively looks a sprightly mind
disclose,
Ihre lebhaften Blicke einen munteren Geist verraten,
Quick as her eyes, and as unfixed as
those:
Schnell wie ihre Augen und genauso ungezwungen:
Favours to none, to all she smiles
extends;
Gunst niemandem, allen schenkt sie ein Lächeln;
Oft she rejects, but never once
offends.
Oft weist sie ab, aber nicht einmal kränkt sie.
Bright as the sun, her eyes the gazers
strike,
Leuchtend wie die Sonne, ihre Blicke die Gaffer treffen,
And, like the sun, they shine on all
alike,
Und, wie die Sonne, strahlen sie
alle gleich an,
Yet graceful ease, and sweetness void of
pride
Doch anmutige Natürlichkeit, und Liebenswürdigkeit frei von Stolz
Might hide her faults, if Belles had faults to
hide.
Könnten ihre Charakterfehler verbergen, falls Schöne Fehler zu
verbergen hätten.
If to her share some female errors
fall,
Falls sie einiger weiblicher Fehler teilhaftig wäre,
Look on her face, and you'll forget 'em
all.
Sieh ihr ins Gesicht, und du vergißt sie alle.
(Übersetzung vom Herausgeber
dieser Internetseite)
Im wunderschönen Monat Mai
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.
Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.
Gottfried Benn
(1886
- 1956)
Trunkene
Flut
Trunkene Flut,
trance- und traumgefleckt,
o Absolut,
das meine Stirne deckt,
um das ich ringe,
aus dem der Preis
der tiefen Dinge,
die die Seele weiß.
Im Sternenfieber,
das nie ein Auge maß,
Nächte, Lieber,
das man des Tods vergaß,
im Zeiten-Einen,
im Schöpfungsschrei
kommt das Vereinen,
nimmt hin - vorbei.
Dann du alleine,
nach großer Nacht,
Korn und Weine
dargebracht,
die Wälder nieder,
die Hörner leer,
zu Gräbern wieder
steigt Demeter,
dir noch im Rücken,
im Knochenbau,
dann ein Entzücken,
ein Golf aus Blau,
von Tränen alt,
aus Not und Gebrest
eine Schöpfergestalt,
die uns leben läßt,
die viel gelitten,
die vieles sah,
immer in Schritten
dem Ufer nah
der trunkenen Flut,
die die Seele deckt
groß
wie der Fingerhut
sommers
die Berge fleckt. (<
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(ca. 1920)
Es war, als hätt der
Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt.
Die Luft ging durch
die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Aus: Die Sonette an
Orpheus
IX. Sonett
Nur wer die Leier
schon hob
auch unter Schatten
darf das unendliche Lob
ahnend erstatten.
Nur wer mit Toten vom Mohn
aß, von dem ihren,
wird nicht den leisesten Ton
wieder verlieren.
Mag auch die Spieglung
im Teich
oft uns verschwimmen:
Wisse das Bild.
Erst in dem Doppelbereich
werden die Stimmen
ewig und mild.
Andrew Marvell(1621 –1678)
Strophe Nr. VI
von ...
The
Garden
Der Garten
Meanwhile
the mind, from pleasure less,
Währenddessen der Geist, von geringeren Freuden
Withdraws
into its
happiness:
Zieht er sich in seine Glückseligkeit zurück:
The mind,
that ocean, where each
kind
Der Geist, jener Ozean, wo jede Spezies
Does
straight its own resemblance
find; Geradewegs ihre eigene
Entsprechung findet;
Yet
it
creates, transcending
these,
Doch er schöpft, diese übertreffend,
Far other
worlds and other
seas,
Noch ganz andere Welten und
andere Meere,
Annihilating all that's
made
Auslöschend alles, was
geschaffen,
To a green
thougth in a green shade.
Zu einem grünen Gedanken im grünen
Schatten.
(Übersetzung vom Herausgeber dieser Internetseite)
Siehe das ganze Gedicht unten am Ende
der Seite
Ferdinand
Freiligrath
(* Detmold 1810 - + 1876 Cannstadt)
In
Graubünden (Juli 1872)
Ich sitz im rasselnden Zuge:
Vorbei! Die Funken sprühn!
Seid mir gegrüßt im Fluge,
Ihr Weiler still und grün!
Mit Schlössern und mit Hütten,
Mit Busch und Baum und Bronn,
Wie liegt ihr traut inmitten
Der Flur am Rhätikon!
Schneehäupter leuchten und brennen
Hoch über euch landein;
An euch vorüberrennen
Seht ihr den jungen Rhein.
Das Leben seht ihr schäumen
Den Strom hinauf, hinab, -
Seht unter Blumen und Bäumen
Am Strom auch manches Grab.
"Das Grab ist tief und stille," -
Hier auf der sonnigen Flur,
In des Lebens Drang und Fülle,
Wie kommt das Lied mir nur?
Ich hör es in den Gründen,
Ich hör es in der Luft;
Ein Sänger sang es aus Bünden,
Und dort ist seine Gruft!
Dort unter "des Kirchhofs Flieder"
Legt' er sich hin zu ruhn;
Weich waren seine Lieder,
Doch tapfer war sein Tun.
Station Malans! Kein Halten!
Vorbei! Ich hebe den Hut;
Ich neige mein Haupt dem Alten,
Dem Sänger lieb und gut. *
Den Lebenden froh geboten
Allzeit die rechte Hand!
Doch auch den braven Toten
Reicht sie "ins stille Land"!
* Freiligrath meint
den helvetischen General und
Dichter Johann
Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
(1762-1834) in Malans, Graubünden.
Ich kann den Blick nicht von euch wenden
Ich muß euch anschaun immerdar:
Wie reicht ihr mit geschäft'gen Händen
Dem Schiffer eure Habe dar!
Ihr Männer, die ihr von dem Nachen
Die Körbe langt, mit Brot beschwert,
Das ihr aus deutschem Korn gebacken,
Geröstet habt auf deutschem Herd;
Und ihr, im Schmuck der langen Zöpfe,
Ihr Schwarzwaldmädchen, braun und schlank,
Wie sorgsam stellt ihr Krüg und Töpfe
Auf der Schaluppe grüne Bank!
Das sind dieselben Töpf und Krüge,
Oft an der Heimath Born gefüllt!
Wenn am Missouri Alles schwiege,
Sie malten euch der Heimath Bild;
Des Dorfes steingefaßte Quelle,
Zu der ihr schöpfend euch gebückt,
Des Herdes traute Feuerstelle,
Das Wandgesims, das sie geschmückt.
Bald zieren sie im fernen Westen
Des leichten Bretterhauses Wand;
Bald reicht sie müden, braunen Gästen,
Voll frischen Trunkes, eure Hand.
Es trinkt daraus der Tscherokese,
Ermattet, von der Jagd bestaubt;
Nicht mehr von deutscher Rebenlese
Tragt ihr sie heim, mit Grün belaubt.
O sprecht! Warum zogt ihr von dannen!
Das Neckarthal hat Wein und Korn;
Der Schwarzwald steht voll finstrer Tannen,
Im Spessart klingt des Älplers Horn.
Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nach der Heimathberge Grün,
Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
Nach seinen Rebenhügeln ziehn!
Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend wehn!
Gleich einer stillen, frommen Sage
Wird es euch vor der Seele stehn.
Der Bootsmann winkt! – Zieht hin in Frieden:
Gott schütz euch, Mann und Weib und Greis!
Sei Freude eurer Brust beschieden,
Und euren Feldern Reis und Mais!
Es ist Abend. Vorbei
gleiten
Zwei Faltboote, darinnen
Zwei nackte junge Männer:
Nebeneinander rudernd
Sprechen sie. Sprechend
Rudern sie neben einander.
Du bist Orplid, mein
Land!
Das ferne leuchtet;
Vom Meere dampft dein besonnter
Strand
Den Nebel, so der Götter Wange
feuchtet.
Uralte Wasser steigen
Verjüngt um deine Hüften, Kind!
Vor deiner Gottheit beugen
Sich Könige, die deine Wärter
sind.
Im
bleichen
Sommer, wenn die Winde oben
Nur in dem
Laub der großen Bäume sausen,
Muß man in
Flüssen liegen oder Teichen
Wie die Gewächse,
worin Hechte hausen.
Der
Leib wird
leicht im Wasser. Wenn der Arm
Leicht aus dem
Wasser in den Himmel fällt,
Wiegt ihn der
kleine Wind vergessen,
Weil er ihn
wohl für braunes Astwerk hält.
Der
Himmel
bietet mittags große Stille.
Man macht die
Augen zu, wenn Schwalben kommen.
Der Schlamm
ist warm. Wenn kühle Blasen quellen,
Weiß man: Ein
Fisch ist jetzt durch uns geschwommen.
Mein
Leib, die
Schenkel und der stille Arm
Wir liegen
still im Wasser, ganz geeint.
Nur wenn die
kühlen Fische durch uns schwimmen,
Fühl ich, daß
Sonne überm Tümpel scheint.
Wenn
man am
Abend von dem langen Liegen
Sehr faul
wird, so daß alle Glieder beißen,
Muß man das
alles, ohne Rücksicht, klatschend
In blaue
Flüsse schmeißen, die sehr reißen.
Am
besten
ist’s, man hält’s bis Abend aus.
Weil dann der
bleiche Haifischhimmel kommt
Bös und
gefräßig über Fluß und Sträuchern.
Und alle Dinge
sind, wie’s ihnen frommt.
Natürlich
muß
man auf dem Rücken liegen
So wie
gewöhnlich. Und sich treiben lassen.
Man muß nicht
schwimmen, nein, nur so tun, als
Gehöre man
einfach zu Schottermassen.
Man
soll den
Himmel anschaun und so tun,
Als ob einen
ein Weib trägt, und es stimmt.
Ganz ohne
großen Umtrieb, wie der liebe Gott tut,
Wenn er am
Abend noch in seinen Flüssen schwimmt.
Jacob van Ruisdael: Die Mühle bei Wijk-bij-Duurstede
(1670)
Vinieron unos argentinos,
Es
kamen ein paar Argentinier,
eran de Jujuy y Mendoza,
waren aus Jujuy und Mendoza,
un ingeniero, un médico,
ein Ingenieur, ein
Arzt,
tres hijas
como tres uvas.
drei
Töchter wie drei Trauben.
Yo no tenía nada qué decir.
Ich hatte nichts zu
sagen.
Tampoco mis desconocidos.
Meine Unbekannten auch
nichts.
Entonces no nos dijimos
nada,
Also sagten wir uns nichts,
sólo respiramos juntos
atmeten nur zusammen
el aire brusco del Pacífico
sur,
die rauhe Luft des Südpazifik,
el aire verde
die
grüne Luft
de la pampa líquida.
der wogenden
Pampa.
Tal vez se lo llevaron de vuelta
a sus cuidades Mag sein, daß sie es mit
sich in ihre Städte zurücknahmen
como quien se lleva un perro de
otro país
wie man einen
Hund aus einem anderen Land mitbringt
o unas alas extrañas,
oder ein paar seltsame Flügel,
un ave palpitante.
einen flatternden
Vogel.
(Übersetzung vom Herausgeber dieser Internetseite)
Gottfried Benn
Astern
Astern -
schwälende Tage,
alte
Beschwörung, Bann,
die
Götter halten die Waage
eine
zögernde Stunde an.
Noch einmal
die goldenen Herden,
der Himmel,
das Licht, der Flor,
was brütet
das alte Werden
unter den
sterbenden Flügeln vor?
Noch einmal das
Ersehnte,
den Rausch,
der Rosen Du -
der Sommer
stand und lehnte
und sah den
Schwalben zu,
noch einmal
ein Vermuten,
wo längst
Gewißheit wacht:
Die
Schwalben streifen die Fluten
Und trinken
Fahrt und Nacht.
Stefan George
Der schimmer ferner
lächelnder gestade,
Der reinen
wolken unverhofftes blau
Erhellt die
weiher und die bunten pfade.
Dort nimm das
tiefe gelb, das weiche grau
Von birken und
von buchs, der wind ist lau,
Die späten
rosen welkten noch nicht ganz.
Erlese, küsse
sie und flicht den kranz.
Vergiss auch
diese letzten astern nicht,
Den purpur um
die ranken wilder reben,
Und auch was
übrig blieb von grünem leben
Verwinde
leicht im herbstlichen gesicht.
Willem Roelofs:
Landschaft mit herannahendem Sturm (1850)
Rainer Maria Rilke
Herr: es ist
Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen
Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den
Fluren laß die Winde los.
Befiehl den
letzten Früchten voll zu sein,
gib ihnen noch
zwei südlichere Tage,
dränge sie zur
Vollendung hin und jage
die letzte
Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein
Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt
allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen,
lesen, lange Briefe schreiben
und wird in
den Alleen hin und her
unruhig
wandern, wenn die Blätter
treiben.
Die gestundete Zeit
Es kommen härtere Tage.
Die auf Widerruf gestundete Zeit
Wird sichtbar am Horizont.
Bald musst du den
Schuh schnüren
Und die Hunde zurückjagen in die
Marschhöfe.
Denn die Eingeweide der Fische
Sind kalt geworden im Wind.
Ärmlich brennt das
Licht der
Lupinen.
Dein Blick spurt im Nebel:
Die auf Widerruf gestundete Zeit
Wird sichtbar am Horizont.
Drüben versinkt dir
die Geliebte
im Sand,
Er steigt um ihr wehendes Haar,
Er fällt ihr ins Wort,
Er befiehlt ihr zu schweigen,
Er findet sie sterblich
Und willig dem Abschied
Nach jeder Umarmung.
Sieh dich nicht um.
Schnür deinen Schuh.
Jag die Hunde zurück.
Wirf die Fische ins Meer.
Lösch die Lupinen.
Es kommen härtere Tage.
Gottfried Benn
Einst, wenn der Winter
begann,
du hieltest von seinen
Schleiern,
den Dämmerdörfern, den Weihern
die Schatten an.
Oder die Städte
erglommen
sphinxblau an Schnee und Meer -
wo ist das hingekommen
und keine Wiederkehr.
Alles des Grams, der
Gaben
früh her in unser Blut -
:
wenn wir gelitten haben,
ist es dann gut?
Johann Wolfgang von Goethe
Dem Geier gleich,
Ist auf deinem Psalter,
Der auf schweren
Morgenwolken
Vater der Liebe, ein Ton
Mit sanftem Fittich ruhend
Seinem
Ohre vernehmlich,
Nach Beute schaut
So
erquicke sein Herz!
Schwebe mein Lied.
Öffne den umwölkten Blick
Über die tausend Quellen
Denn ein Gott hat
Neben
dem Durstenden
Jedem seine Bahn
In der Wüste.
Vorgezeichnet,
Die der Glückliche
Der du der Freuden viel schaffst,
Rasch zum freudigen
Jedem ein überfließend Maß,
Ziele rennt:
Segne die Brüder der Jagd
Wem aber Unglück
Auf
der Fährte des Wilds
Das Herz zusammenzog,
Mit
jugendlichem Übermut
Er sträubt vergebens
Fröhlicher Mordlust,
Sich gegen die Schranken
Späte
Rächer des Unbills,
Des ehernen Fadens,
Dem schon Jahre vergeblich,
Den doch die bittere Schere
Wehrt mit
Knütteln der Bauer.
Nur einmal löst.
Aber den Einsamen hüll
In Dickichts-Schauer
In deine Goldwolken!
Drängt sich das rauhe Wild,
Umgib mit Wintergrün,
Und mit den Sperlingen
Bis die Rose wieder heranreift,
Haben längst die Reichen
Die
feuchten Haare,
In ihre Sümpfe sich gesenkt.
O Liebe, deines Dichters!
Leicht ist’s folgen
dem Wagen,
Den Fortuna führt,
Mit der dämmernden Fackel
Wie der gemächliche Troß
Leuchtest du ihm
Auf gebesserten Wegen
Durch die Furten bei Nacht,
Hinter des Fürsten Einzug.
Über
grundlose Wege
Auf
öden Gefilden;
Aber abseits wer
ist’s?
Mit dem tausendfarbigem Morgen
Ins Gebüsch verliert sich sein
Pfad,
Lachst
du ins Herz ihm;
Hinter ihm schlagen
Mit dem beizenden Sturm
Die Sträuche zusammen,
Trägst du ihn hoch empor;
Das Gras steht wieder auf,
Winterströme stürzen vom Felsen
Die Öde verschlingt ihn.
In seine Psalmen,
Und Altar des lieblichsten Danks
Ach, wer heilet die
Schmerzen
Wird
ihm des gefürchteten Gipfels
Des, dem Balsam zu Gift
ward?
Schneebehang’ner Scheitel,
Der sich Menschenhaß
Den mit Geisterreihen
Aus der Fülle der Liebe
trank?
Kränzten ahnende
Völker.
Erst verachtet, nun ein
Verächter,
Zehrt er heimlich auf
Du stehst mit unerforschtem Busen
Seinen eigenen Wert
Geheimnisvoll offenbar
In ung’nügender Selbstsucht.
Über der
erstaunten Welt
Und schaust aus Wolken
Auf ihre
Reiche und Herrlichkeit,
Die du aus den Adern deiner Brüder
Neben
dir wässerst.
Dezember
François Villon
(Der Anfang von „Le Lais")
L’an
quatre cens cinquante
six,
Im Jahr (tausend)vierhundertsechsundfünzig
Je,
Françoys Villon,
escollier,
ich, François Villon, Scholar,
Considerant,
de sens
rassis,
erwägend, mit klarem Sinn,
Le
frain aux dens, franc au collier,
den
Zaum im Gebiss, Zügel los,
Qu'on
doit ses aeuvres
conseillier
dass man seine Werke bedenken muß,
Comme
Vegece le
raconte,
wie Vegetius sagt,
Sage
Rommain, grant conseillier
weiser Römer,
grosser Ratgeber,
Ou
autrement on se
mesconte…
oder anders vertut man sich.
En
ce temps que j’ay dit
devant,
Zu dieser Zeit, die ich zuvor erwähnt,
Sur
le Noel, morte
saison,
um Weihnachten herum, tote Jahreszeit,
Que
les loups se vivent de
vent
wenn die Wölfe von Wind leben,
Et
qu’on se tient en sa
maison,
und wenn man in seinem Hause bleibt,
Pour
le frimas, pres du
tison,
wegen des Rauhfrosts, nah beim Kamin,
Me
vint un vouloir de
brisier
überkam mich ein Drang aufzubrechen
La
tres amoureuse
prison
das starke Liebesgefängnis
Qui souloit mon cuer debrisier.
das mein Herz zu
zerbrechen unternahm.
(Übersetzung durch den Herausgeber dieser Internetseite)
Im Herbste sieht man als Opalen
Der Bäume bunte Blätter strahlen.
Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant
Und reines Silber, Flut und Land.
Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerksam sehn,
Ist sie zu allen Zeiten schön.
by Andrew Marvell
I
How vainly
men themselves amaze
Wie
sinnlos martern sich Menschen,
To win the palm, the oak, or bays;
Die Palme, den Eichen- oder Lorbeerkranz zu
gewinnen;
And their uncessant labours see
Und ihre unaufhörlichen Bemühungen
Crown’d from some single herb or tree, Von
einer einzigen Pflanze oder Baum
gekrönt zu sehen,
Whose short and narrow verged shade Deren kurzer und eng begrenzter Schatten
Does prudently their toils upbraid,
Klugerweise ihre
Anstrengungen tadelt,
While all flow’rs and all trees do close
Während alle Blumen und alle Bäume
sich vereinen,
To weave
the garland of repose.
Die Girlande der Ruhe zu flechten.
II
Fair quiet, have I found thee here,
Schöne Stille, habe ich dich
hier gefunden,
And
innocence, thy sister dear!
Und Unschuld, deine teuere Schwester!
Mistaken long, I sought you then
Lange irregeleitet, suchte ich dich damals
In busy
company of men.
In geschäftiger Gesellschaft von Menschen.
Your sacred plants, if here below,
Deine heiligen Gewächse, wenn
überhaupt,
Only among
the plants will grow.
Werden
nur hier unten inmitten der Pflanzen wachsen.
Society is all but rude
Gesellschaft ist ziemlich roh
To this
delicious solitude.
Im Vergleich mit dieser
köstlichen Einsamkeit.
III
No white
nor red was ever seen
Kein Weiß noch Rot wurde je gesehen
So am’rous
as this lovely green. So liebreizend wie dies
hübsche Grün.
Fond lovers, cruel as their flame,
Törichte Liebhaber, grausam wie ihre
Leidenschaft,
Cut in
these trees their mistress’ name.
Ritzen in diese Bäume die Namen ihrer Geliebten ein.
Little, alas, they know, or heed
Wenig, ach, wissen oder beachten sie
How far
these beauties hers exceed.
Wie sehr diese Schönheiten die ihrige übertreffen.
Fair trees!
wheres’e’er your bark I wound, Schöne
Bäume! Wo immer ich euere Rinde verwunde,
No name
shall but your own be found.
Soll
keiner als euer eigener Name gefunden werden.
IV
When we have run our passion’s heat,
Wenn wir die Glut unserer
Leidenschaft erschöpft haben,
Love hither
makes his best retreat.
Findet
die Liebe hier ihre beste Zuflucht.
The Gods, that mortal beauty chase,
Die Götter, jene Jagd nach
menschlicher Schönheit,
Still in a tree did end their race:
Immer in einem Baum
beendeten sie ihr Rennen:
Apollo hunted Daphne so,
Apollo verfolgte Daphne so,
Only that
she might laurel grow;
Nur damit sie als Lorbeerbaum wuchs;
And Pan did
after Syrinx speed Und Pan rannte hinter Syrinx
her,
Not as a
nymph, but for a reed.
Nicht für eine Nymphe sondern für ein Schilfrohr.
What wond’rous
life in this I lead!
Welch
wundersames Leben führe ich hier!
Ripe apples drop about my head;
Reife Äpfel hängen um meinen Kopf;
The
luscious clusters of the vine
Die köstlichen Weintrauben
Upon my
mouth do crush their wine;
Quetschen an meinem Mund ihren Saft aus;
The nectarine, and curious peach
Die Nektarine und der neugierige Pfirsich
Into my
hands themselves do reach;
Reichen sich mir in meine Hände;
Stumbling
on melons, as I pass,
Indem ich im Gehen über Melonen stolpere,
Insnar’d
with flowers, I fall on grass.
Falle ich umgarnt von Blumen aufs Grass.
VI
Meanwhile the mind, from pleasures less, Währendessen der
Geist, von geringeren
Freuden
Withdraws into ist happiness:
Zieht er sich in seine Glückseligkeit
zurück:
The mind, that ocean, where each kind
Der Geist, jener Ozean, wo
jede Spezies
Does straight ist own resemblance find;
Geradewegs ihre eigene
Entsprechung findet; (1)
Yet it creates, transcending these,
Doch er schöpft, diese
übertreffend,
Far other worlds and other
seas
Noch ganz andere Welten und andere Meere,
Annihilating
all that’s made
Auslöschend
alles, was geschaffen,
VII
Here at the
fountain’s sliding foot,
Hier an des Springbrunnens rutschigem Fuß
Or at some
fruit-tree’s mossy root,
Oder an eines Obstbaums moosiger Wurzel
Casting the body’s vest away,
Indem sie das körperliche Gewand ablegt
My soul into the boughs does glide:
Gleitet meine Seele in die
Zweige:
There like a bird it sits, and sings,
Dort sitzt sie wie ein
Vogel und singt,
Then whets, and
combs its silver wings;
Dann
wetzt sie(ihren Schnabel)und putzt ihreSilberschwingen
And, till
prepar’d for longer flight
Und läßt, bis bereit für einen längeren Flug,
Waves in its plumes the various
light. In ihrem
Gefieder das wechselnde Licht spielen.
VIII
Such was the
happy garden-state,
So war der glückliche Gartenzustand
While man there
walked without a mate:
Während der Mensch dort ohne eine Gefährtin wandelte:
After a place
so pure, and sweet,
Nach so einem reinen und süßen Aufenthaltsort
What other help could yet be
meet!
Welche
weitere Wohltat konnte man noch erwarten!
But `twas
beyond a mortal’s share
Aber es war über eines Sterblichen Anteil hinaus
To wander
solitary there:
Dort einsam wandern zu dürfen:
Two paradises
`twere in one
Zwei Paradiese wären es in einem,
To live in Paradise alone.
Im
Paradies allein zu leben.
IX
How well the
skilful gardner grew
Wie gut zog der geschickte Gärtner
Of flow’rs and
herbs this dial new
Aus Blumen und
Pflanzen diese
Sonnenuhr neu heran,
Where from
above the milder sun
Wo von oben die mildere Sonne
Does through a
fragant zodiac run;
Durch einen duftenden Tierkreis sich bewegt
And, as it works,
th’industrious bee
Und während sie arbeitet, die fleißige Biene
Computes its time as well as
we.
Mit
ihrer Zeit rechnet so gut wie wir.
How could such sweet and wholesome
hours Wie könnte man auch solche
süßen und erholsamen
Be reckon’d but with herbs and
flow’rs!
Stunden
anders als nach Pflanzen und Blumen zählen!
(Übersetzung durch den Herausgeber dieser Internetseite)
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(1) Man nahm irrigerweise im 17. Jhd. noch an, daß im Meer
artmäßige Entsprechungen zu den Landtieren lebten.
Exkurs: Andrew
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- ergänzt: 19.11.2007
6.10.2009/15.3.2010
21./22.2.2012 -
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